die zunehmende bindung und die gute loesung von meinem ´held´ ´könig´ otl aicher!
so gesehen und geschrieben von seinem kronprinzen.
beitrag zur ausstellung 'Aicher 88' im mai 2010 im museum, ulm


 

meine10 stationen zu otl aicher

-> die zunehmende bindung und die gute loesung von meinem ´held´ ´könig´ otl aicher! so gesehen und geschrieben von seinem kronprinzen.

text: hans(nick)roericht / foto: tomas gonda, 1964 / layout: jochen speidel / satz: heiko mozer/ ulm 02.05.2010

 

1 ich hatte den abschluss als produktgestalter an der hfg ulm 59 mit dem stapelgeschirrsystem TC 100 geschafft, rosenthal nahm es geradezu unmittelbar in die realisation und produktion. aber ich fiel in ein mentales loch: ich glaubte zu der zeit, die visuelle kommunikation waere eigentlich die interessantere, herausforderdernde disziplin als mein soeben zurueckgelegtes studium der produktgestaltung und suchte ein gespraech mit otl aicher. meine frage an ihn dann, ob ich denn nicht jetzt ein studium in seiner abteilung ´visuelle kommunikation´ machen duerfe, verneinte er: es sei schliesslich ein zuschussbetrieb, die hochschule fuer gestaltung – ein zweitstudium gaebe es nicht. allerdings assistent werden koennte ich sofort bei ihm bzw. in der abteilung ´visuelle kommunikation ´! ich solle mich mal um die uerberschneidungs-raeume/ -felder der beiden dizsiplinen kuemmern: und so wurde ich assistent in der vk. ueberschneidungs-raeume, prinzipien und methoden der anderen faszinierten otl aicher offenbar ueberhaupt: so arbeitete er schon lange mit hans gugelot disziplin-uebergreifend an den braun-projekten, spaeter der hamburger hochbahn. seine indien-reise noch spaeter befluegelte ihn zu totalen entwuer– fen: vehikel/autos und architekturen, lebensraeumen. schliesslich seine serie staedtbaulicher beitraege in der ZEIT (wann war das eigentlich?). maldonado nannte bill in seinem bill-buch den ´totalen gestalter´. war aicher der immanente gestalter ?

 

2 in der lehre, es ging einmal um ein verpackungsprojekt fuer pharmakas und spaeter um food-transfer verpackungen, verpackungen die an einem ort ausgegeben wurden und deren inhalt an einem anderen ort verzehrt wurde und von mittlerer komplexitaet waren. wir waren damals offenbar von der japanischen lunch-box wie angeturned. otl aicher gegen– ueber klagte ich, dass diese projekte mit den studenten keine hoehe annahmen, nicht aufsteigen wollten: fehlte doch ein konkretes gegenueber, ein klient, ´wie im wirklichen leben´. otl aicher sprang sofort auf, fuer diese projekte den klienten zu spielen, schluepfte in anzug und kravatte, gab sich aeussert formell und bestimmend und begleitete uns fortan als agierender klient. hier beeindruckten mich sowohl sein tiefes rollenverstaendnis, seine ausserordentlichen faehigkeiten in virtuellen raeumen zu wandeln – und seine enorme ausdauer, das rollen-halten.

 

3 ich war auch von gewisser neugier an dem zurueckliegendem, von otl aicher zurueckgelegtem: den arbeiten der fruehen aicher-entwicklungsgruppe 5 – vor allem auch denen, gemeinsam mit h.g. conrad, fritz querengaesser gemachten. ich fand nichts. otl aicher von mir darauf angesprochen, erwiderte: er habe keine beziehung zu vergangenem, keine lust, dinge aufzuheben: und uebrigens, wenn ihm morgen nichts neues, besseres einfalle, wuerde er das entwerfer-sein ueberhaupt aufgeben muessen, das entwerfen sein lassen: zu zurueckliegenden arbeiten habe er keine beziehung. aber ich solle mal ruhig sammeln und dokumentieren. und als spaeter, bei zunehmendem oekonomischem druck auf die hochschule fuer gestaltung, auch auf die entwicklungsgruppen, die notwendigkeit einer akquisition auftauchte, durften tomas gonda, alf poss und ich diese -> E5 broschuere machen!

 

4 war ich auch besessen von der erschliessung der projekte durch zunehmende methodik, systematik, als voraussetzung der wiederholbarkeit, des eigenen lernens, des arbeitens in gruppen und an zunehmend komplexen aufgaben: ich durfte systematik ueberziehen und fand in otl aicher einen ´suporter´, einen super-choach, einen grandiosen ermoeglicher! 6 000 farbmuster durfte ich sammeln, im keller in tempera-farben spritzen, und ordnen. uns gelang der trick, den z.b.in planen farbkarten schwer darstellbaren 3-dimensionalen farbraum auf 2 phaenomenologische dimensionen herunterzufahren. -> siehe basf colorthek. wir gaben dem farbton (hue) eine dimension, die zeile. vereinigten helligkeit und intensitaet in einem einzigen wert, den wir jeweils in der spalte abbildeten.

 

5 und nun flogen wir: hans g. conrad, der fruehe partner, m.e. auch professionelle lehrer otl aichers, neben fritz querengaesser - inzwischen ganz oben im lufthansa-himmel, liess die entwicklungs-gruppe 5 mit dem neuen kleid fuer die lufthansa beauftragen: erscheinungsbild der deutschen lufthansa – und ich meine, dieser terminus ´erscheinungsbild´ wurde durch aicher, die gruppe, in die deutsche sprache erstmals eingebracht. das erscheinungsbild sollte die spiegelung des lufthansa vorstellungsbildes sein. als lufthansa-vorstellungs-bild waren dabei die unternehmerischen intentionen der lufthansa gemeint - so die operable otl aicher projekt-diktion! und da die lufthansa nur schwerlich mit unternehmerischen vorstellungen rueberkam: wurden ihnen hier durch otl aicher unternehmerische vorstellungen hilfsweise unterstellt. und auch das konnte otl aicher! auf einer alm oberhalb von pontresina, begleitet von der uns betreuenden, korrektur-lesenden inge aicher, entstanden die struktur und die inhaltlichen essentials des projektes lufthansa erscheinungsbild. wohl eine einmalige konstellation: die arbeitsgruppe hier in ulm und das strategischen geschick von h.g. conrad bei der lufthansa in koeln brachten ein – noch nach 40 jahren – doch recht haltbares und so gesehen einmaliges erscheinungs-bild-repertoire hervor.

 

6 die lufthansa flog in neuer aufmachung/make-up und ich flog nach usa, um dort zu lehren – um mich gestaerkt von aicher, von aicher zu trennen. ein von mir kuerzlich wiederentdeckter, abloesender briefwechsel dokumentierte den schnitt. eine einladung, ihm nach muenchen zur olympiade zu folgen, wiegelte ich ab. und doch stieg ich dann ueber den gruenplaner guenther grzimek als selbstaendiger mit einer eigenen truppe ein: nun beinahe auf augenhoehe mit otl aicher.

 

7 die olympiade gelang 72: otl aicher ging aufs land – nach rotis und er bat mich als kooperant mitzuziehen. ich zog: mit einem teiltrupp aus meinem ulmer buero. gemeinsame projekte fuehrten zu einer zweiten abloesung: hatten wir doch schon zunehmend unterschiedliche vorstellungen zu dem ´was´und dem ´wie´? einerseits verstand ich otl aichers umfassenden anspruch an ´gestaltung´ und lernte, wie umfassend und durchdringend gestaltung sein kann und sein sollte! andererseits muss mich sein, von mir als zunehmend absolutes und auch als zunehmend un-experimentelles vorgehen empfundenes, verhalten entfremdet haben.

 

8 1975 zog ich mit meinem ulmer buero in raeume der ehemaligen hfg, die inzwischen und bis heute von teilen der ulmer universitaet benutzt werden. 1982 initiierten und realisierten wir die hfg-sysnopse und natuerlich brauchten wir dazu die kooperation der gruender, der kronzeugen. otl aicher hielt nichts von unserem projekt und verweigerte jegliche kooperation. naiven, unbelasteten studenten-synopsen-mitmachern gelang es, sich mittels erarbeiteter vorlagen zugang zu inge aicher zu verschaffen: ab da war das projekt von aichers geduldet!

 

9 dann kam es zum bruch-bruch, dem finalen bruch: 1986 wurde ich gebeten, mich fuer das zur hfg nachbarliche terrain gelegene KZ-dokumentations-zentrum einzubringen: eine hochsensible sache. die jungen linksliberalen initiatoren des projektes gaben vor, mit aichers hierarchisch-patriarchalischem vorgehen nicht klar zu kommen: sie vermissten die chance einer gemeinsamen projektentwicklung. da sie jetzt mich fragten, war ich mir der explosivitaet der situation bewusst und ich stimmte nur einer strategie zu, bei der ich lediglich die infrastruktur zur verfuegung stellen und eine distanzierte supervison ausueben koennte. fuer otl aicher unannehmbar: aicher verzieh mir nicht, dass ich etwas annahm, was er liegen liess, offenbar liegen lassen musste: war ich nun in einem anderen schaltkreis/circut - auf der andere seite?

 

10 conclusion: er war fuer mich ein supercatalyst, mein groesster mentor. mein transiteur ins schwaebische: in eine chagall-schwebende sprach- & und erlebnis-welt. war er mein uebervater? war ich nicht lange eine – seine projektionsflaeche und konnte dadurch mehr als ich konnte. er war ein pusher! und hat er mir den schwung gegeben, mich im nachhinein froehlich- dankbar von ihm zu loesen und immer doch ein zampano!?