interview

interviewer:
1.0.0, Simone Kaempf
2005-10-04





Ernst Cremer
wie würden sie jemand anderem ihre arbeit erklären?
Entwurf und Fertigung von Möbeln in meiner eigenen Designwerkstatt. Ich bin ein autarker Entwerfer, für Tische, Stühle, Betten genauso wie für Praxis- oder Büroräume, Prototypen genauso wie Serien. Basis ist eine Tischlerwerkstatt, die ich Mitte der 80er Jahre von meinem Vater übernahm und deswegen übrigens auch meine Vollzeitstelle am Id4 aufgab. in dieser Tischlerwerkstatt wird - und das ist völlig untypisch - auch geschweißt, gelötet, gedreht. Wir machen alles, was zu einer Rundum-Design-Lösung gehört.

wann und warum wurden sie ans id4 berufen?
Wann ging das los? 1980 muss das gewesen sein. Erst hatte ich einen Lehrauftrag, nach zwei Semestern bin ich dann Nick Roerichts Assistent geworden.

was fällt ihnen zu der zeit und den umständen spontan ein?
Für mich war das eine aufregende Sache und eine aufregende Zeit. Eigentlich war ich nicht auf dem Weg in die HdK, sondern schon raus. Vor meinem Diplom haben mich Strehl/Chemaitis gefragt, ob ich bei ihnen im Büro arbeiten möchte. Da sass ich dann, entwarf Zeichenmaschinen, und plötzlich rief Nick an und fragte, ob ich einen Lehrauftrag übernehmen würde.

welche aufgaben haben sie am id 4 übernommen?
Verantwortlich war ich für Projektarbeit mit Dritt- und Viert-Semestern, und ich habe mich sehr intensiv um die Fachgruppenorganisation gekümmert. Spontan erinnere ich mich, wie ich mit Nick bis tief in die Nacht Begriffspaare für bestimmte Übungsteile austüftelte. Das hat er dann im Laufe der Jahre weiter entwickelt. Die Überschriften sind aber eigentlich gleich geblieben. Eine hieß beispielsweise "Wege nach Rom". Das stand für die Aufforderung, eine Aufgabenstellung aus verschiedenen Richtungen zu durchdenken und zu erarbeiten, um nicht Gefahr zu laufen, es gäbe nur einen richtigen Weg der zum Ziel führt.

übereinstimungen / inspirationen / reibungen an nick roerichts positionen?
Nick ist allzeit eine Reizfigur und ein Unruhestifter. Das kann nerven, das kann frustrieren, das kann anregen und begeistern, es kann einfach alles, und das habe ich an Nick immer geschätzt, weil es auch bedeutete, aus gewohnten Denkstrukturen auszubrechen.

kontakt / zusammenarbeit mit damaligen mitmachern und id4lern?
Strehl/Chemaitis, Lutz Köbele / Lipp, Gerhart Schneider, Maria Elsell, Anna Maske, Matthias Dietz

was würden sie im nachhinein, angenommen die zeitreise wäre bei gleicher ausgangslage möglich, anders machen?
Fehler macht man immer. Aber ich würde nichts anders machen. Was wir gemacht haben, war gut. Denn wir haben die Studenten dort abgeholt, wo sie waren - mit ihrem Wissen, ihren Ideen und persönlichen Befindlichkeiten, um sie zum selbstständigen Arbeiten zu bewegen.

in welche neuen formen und ausrichtungen sehen sie die disziplin design mittlerweile übergehen, mutieren, sich entwickeln?
Design ist ständig im Wandel und muss sich neue Aufgaben stellen. Als ich bei Nick war, kämpften wir noch darum, Design als etwas Selbstverständliches in den Produktionsprozess zu integrieren; kämpften darum, dass es überhaupt mitgedacht wird und nicht von Ingenieuren en passant erledigt wird. Was Industrial Design ausmacht, hat sich mittlerweile sehr aufgespalten, und diese Wandlungen muss Design mitmachen, denn es ist nie Selbstzweck.

was kann man tun, um designer nicht nur für heute, sondern für die nächsten jahrzehnte ihres berufslebens auszubilden?
Die Fähigkeit zum Weiterlernen in ihnen wecken. Man darf nie denken, dass man an der Uni Kenntnisse erwirbt, die ein ganzes Berufsleben anwendbar bleiben. Unverzichtbar ist kaufmännisches und juristisches Grundwissen und die Fähigkeit zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Fachleute einzubinden, wenn man als freier Designer bestehen will.

worauf könnten sie leicht verzichten?
Auf alle Dummheiten, die man trotzdem immer wieder macht.