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Die Autonauten auf der Kosmobahn, Eine zeitlose Reise Paris-Marseille


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kommentar:Nächste Station, Raststätte. Und das über sechzig Mal. Die Autobahn? Nur ein Mittel zum Zweck, kurze Gebrauchstrecke, um zum nächsten Objekt, einem Rastplatz auf der Autobahnstrecke Paris - Mareille zu kommen. Zwei Rastplätze täglich. Das ist es, was uns das Autorenpaar Julio Cortazar, Exilargentinier und seine französisch schreibende kanadische Frau Carol Dunlop da auftischen wollen, auf dem Rücken ihres treuen roten VW-Drachens „Fafnir“, der sie die Welt um sie herum vergessen lässt, sie die oben genannte Strecke auf eine andere Art erfahren lässt, auf einer „zweiten“ Autobahn. Das Erleben eines anderen Ablaufes, ein „wie-es-auch-sein-kann“, als wissenschaftliche Expedition und von Anfang der Reise an als späteres Buch getarnt, lassen uns die beiden an ihrem dreißigtägigen Ausflug teilnehmen, sind ausgesprochen explizit in ihren Beschreibungen(es soll ja wissenschaftlich sein!), erteilen gewissenhaft Aukunft über sämtliche ökologischen, gastronomischen und anthropologischen Erscheinungsformen, schreiben ihre Speisekarte regelmäßig ab, belegen ihre Forschungen mit zahlreichen Bildern und genießen überhaupt die Ruhe. Die jedoch auch, wie soll es anders sein, durch ungeschickte Agenten, jammernde Mütter und sonstige Lastwagenfahrer, für sie, also für uns, alles Doppelagenten, die sie beide von ihrem waghalsigen Unternehmen abzubringen versuchen.
Es ist dies eines seiner letzen Veröffentlichungen des großen Schriftstellers Cortazar, wuas er vermutlich auch wusste, ebenso wie seine (zweite) Frau Carol, die, obgleich über dreißig Jahre jünger, an einer schweren, unheilbaren Krankheit litt, und die, ganz am Schluss erfährt man¥s dann, die Veröffentlichung des Buches nicht mehr miterleben konnte. Ihr Mann überlebte sie um ein Jahr. Von diesem düsteren Hintergrund aus gesehen ist dieses Buch, besser: die wissenschaftliche Abhandlung über ein (soviel sei gesagt) gelungenes Experiment, wenn auch auf eine ungleich andere Art, als von dem Paar angenommen, ein einmaliger, ein lebensfroher Lebens-Bericht, dennoch. So war große Vorausschau auch nicht der Sinn dieser Fahrt, es galt vielmehr die Überraschung, der Effekt, den die Tatsache auf ausübt, Neues zu betreten. Doch anders gefragt: Ist es denn so neu, sich den lieben langen Tag, mit seinen Schreibmaschinen bewaffnet, die Augen offen für andere Betrachtungsweisen, beispielsweise einen Dschungel zu sehen, wo andere nur ein kleines Rastplatzwäldchen zum Pinkeln benutzen, sich diesem Kreislauf bewusst zu unterziehen, nicht zu entfliehen, obwohl die Versuchung groß genug wäre, das Essen und den Kaffee in aller Ruhe vorzubereiten und auf nichts zu warten, nur mit der Bedingung, noch einen weiteren Rastplatz für sein Auto zu finden, ist denn das nicht auf eine Weise vielleicht extravagant, aber doch selbstverständlich, vielleicht nicht in dem Ausmaß, aber zumindest auf Dauer eher langweilig?
Es verhält sich anders. Leider muss man sagen, ist es nicht üblich, sich einer Sache, in diesem Fall, des Autofahrens und des Reisens anders hinzugeben. Vielmehr wird sich eher einer Sache, z.B. dem Auto unterworfen, der Mensch verschmilzt und wird eins mit dem Auto, wie Cortazar abstrakt, aber in der dem Buch eigenen Sprache ganz richtig
in einem, bestimmt im Schatten eines Baumes bei glühender Hitze sitzend, in einem seiner Berichte verkündet. Diese kurzen, für sich stehenden reflexiven Essays und Betrachtungen der beiden Autoren sind es dann auch, die den Reiz des Buches ausmachen und die unabhängig davon fortbestehen, da sie das eigene (Stimmungs-)Bild mit ihrer eigenen „wissenschaftlichen“ Arbeit des Analysierens und Auswertens ihrer jeweiligen Rastplatzumgebung in Einklang bringen. Das ist es, um was es ihnen geht und was sie dem „bleichen, geduldigen Leser“ vermitteln wollen: die Einheit, zu der man miteinander gelangen kann (und für sie zum ersten und zum letzten Mal auf diese Weise). Eine Wirklichkeit, die dadurch erreicht wird, so beschrieb es einmal (oder so ähnlich) Cortazar am Anfang der Reise, dass man sich ohne Raum und Zeit befindet, ohne ein Anfang und Ende, nur einer Lebensstrecke verhaftet.
Es mag einem zwar manchmal zu viel des Guten erscheinen, zu ausführlich oder überflüssig, was da letztendlich geschrieben steht, tatsächlich ist es aber der Autoren Verdienst, selbst das scheinbar kleine, leicht übersehbare (wie es ein Rastplatz meistens darstellt) zu erwähnen und die eigene Freude und das Nicht-Nachdenken über die sonstigen Gegebenheiten darzustellen. Der Leser, ohne es zu merken, fährt in jedem Augenblick mit auf dieser Fahrt, sitzt mit den Autoren am Tisch, isst morgens ebenso seine alltäglichen Madeleines mit Marmelade, freut sich über ausufernde, grüne Raststätten und deren Erfoschung, freut sich über den Besuch von Freunden, Wein und Whisky und ärgert sich über graue Asphaltstreifen, die nicht zum Verweilen einladen und nur dunkle Ritter, als Müllbehälter gekleidet, beherbergen können. Wer will schon nach Hause? In die Realität oder etwas ähnlichem? Auf festen Grund? Jemand hat schon gewählt, 1982, im Sommer. Nächster Halt: Unendlichkeit.